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ARCHIV EZLN
aus den bergen des mexikanischen südostens.

das geheime revolutionäre indigene komitee - generalkommandantur der zapatistischen armee, im sechsten monat, das heißt im juni des jahres 2005


www.ezln.org
ZAPATISTISCHE ARMEE DER NATIONALEN BEFREIUNG

SECHSTE ERKLÄRUNG AUS DER SELVA LACANDONA


Dies ist unser einfaches Wort
I - VON DEM WAS WIR SIND
II - WO WIR JETZT SIND
III - WIE WIR DIE WELT SEHEN


IV.- WIE WIR UNSER LAND MEXICO SEHEN

Wir werden Ihnen jetzt erzählen, wie wir das, was in unserem Mexiko geschieht, sehen. Gut, also das was wir sehen, ist, das unser Land von den Neoliberalisten regiert wird. Das heißt, wie wir schon erklärt haben, dass die Regierenden, die wir haben, all das vernichten, was unsere Nation ausmacht, unsere mexikanische Patria. Und die Arbeit dieser schlechten Regierenden besteht nicht darin, für das Wohl des Volkes zu sorgen, sondern sie kümmern sich nur um den Wohlstand der Kapitalisten. Zum Beispiel erlassen sie Gesetze wie das Freihandelsabkommen, das dazu dient, viele Mexikaner ins Elend zustürzen, sowohl Campesinos als auch Kleinproduzenten, weil sie von den großen agroindustriellen Konzernen "aufgefressen" werden, als auch Arbeiter und kleine Unternehmer, weil sie nicht mit den großen transnationalen Konzernen konkurrieren können, die sich einmischen und ihre Gehälter gering und ihre Preise hoch halten, ohne dass jemand etwas sagt, im Gegenteil, man bedankt sich noch bei ihnen. Das heißt, wie man sagt, einige der wirtschaftlichen Fundamente Mexikos wie die Landwirtschaft, die Industrie und der nationale Handel, werden völlig zerstört und es bleiben nur noch ein paar Trümmer übrig, die sicher auch noch verkauft werden.

Und das sind die großen Unglücke unserer Patria. Denn in der Landwirtschaft werden keine Nahrungsmittel mehr produziert, sondern nur das, was die großen Kapitalisten verkaufen, und das gute Land wird durch Tricks und mit Hilfe der Politiker geraubt. Das heißt, die Landwirtschaft befindet sich in der gleichen Lage wie während des Porfirismus, nur dass die Campesinos anstatt von Großgrundbesitzern jetzt von ausländischen Konzernen ausgenommen werden. Und da, wo es vorher Kredite und Schutzpreise gab, gibt es jetzt nur noch Almosen, ... und manchmal nicht einmal das.



Für den Arbeiter in der Stadt sieht es so aus, dass die Fabriken schließen und er seine Arbeit verliert. Oder es werden sogenannte Maquiladoras geöffnet, die aus dem Ausland kommen und einen Hungerlohn für viele Arbeitsstunden zahlen. Und dann kommt es nicht mehr auf den Preis der Produkte an, die das Volk braucht, ob teuer oder billig, weil es eh keiner bezahlen kann. Und wenn jemand in einem kleinen oder mittleren Unternehmen gearbeitet hat, dann ist das vorbei, weil es geschlossen und von einem großen transnationalen Konzern aufgekauft wird. Und wenn jemand einen kleinen Laden hatte, dann verschwindet der oder muss im Geheimen für die großen Konzerne arbeiten, die ihn barbarisch ausbeuten und sogar Kinder zur Arbeit zwingen. Und wenn der Arbeiter in einer Gewerkschaft war, um seine gesetzlichen Rechte zu fordern, dann geht das nicht mehr, weil die gleiche Gewerkschaft ihm jetzt sagt, dass er sich damit abfinden muss, dass die Gehälter herabgesetzt werden oder der Arbeitstag oder die Zuschüsse, weil ansonsten die Firma schließt und in ein anderes Land zieht. Und dann gibt es da den "Kleinsthandel", eine Art wirtschaftliches Programm der Regierung, damit alle Arbeiter der Stadt sich an die Straßenecken stellen, um Kaugummi und Telefonkarten zu verkaufen. Das heißt, die reine wirtschaftliche Zerstörung auch in den Städten.



Und da die Wirtschaft des Volkes sowohl auf dem Land als auch in der Stadt kaputt gemacht wird, müssen viele Mexikaner und Mexikanerinnen ihre Heimat verlassen, also Mexiko, um in einem anderen Land Arbeit zu suchen, nämlich in den Vereinigten Staaten, und dort werden sie nicht gut behandelt, sondern sie werden ausgebeutet, verfolgt und verachtet und sogar getötet.



Der Neoliberalismus, den uns die schlechten Regierungen aufzwingen, hat die Wirtschaft nicht verbessert, ganz im Gegenteil, auf dem Land herrscht großer Mangel, und in den Städten gibt es keine Arbeit. Was geschieht, ist, dass Mexiko in etwas verwandelt wird, in dem nur noch die Arbeitskräfte geboren werden und bald darauf sterben, die für den Reichtum von ausländischen Geschäftemachern schuften, hauptsächlich der reichen Gringos. Deshalb sagen wir, dass Mexiko von den Vereinigten Staaten beherrscht wird.



Gut, aber das ist nicht alles, was passiert, denn der Neoliberalismus hat auch die politische Klasse Mexikos verändert, das heißt die Politiker, weil er sie dazu brachte, so zu werden wie die Angestellten eines Ladens, die alles in ihre Macht stehende tun müssen, um alles billig zu verkaufen. Man hat bereits gesehen, wie sie die Gesetze verändert haben, um den Artikel 27 aus der Verfassung zu streichen, damit Ejido- und Gemeindeland verkauft werden darf. Das war Salinas de Gortari, und er und seine Banden sagten, dass dies zum Wohl der Landwirtschaft und der Campesinos geschehe, und dass sie davon Nutzen ziehen und auf diese Weise besser leben würden. Und war es etwa so? Die mexikanische Landwirtschaft ist ärmer als jemals zuvor, und den Campesinos geht es viel schlechter als zu den Zeiten von Porfirio Diaz. Und sie sagten auch, dass sie privatisieren werden, das heißt, dass sie alle Unternehmen ins Ausland verkaufen werden, die dem Staat gehören, um das Wohl des Volkes zu fördern. Oder weil sie vielleicht nicht gut funktionieren und ihnen Modernisierung fehlt und man sie besser verkaufen sollte. Aber anstatt besser zu werden, wecken die sozialen Rechte, die in der Revolution von 1910 errungen wurden, heute nur noch Bedauern . . . oder Wut. Und sie sagten auch, dass die Grenzen geöffnet werden müssten, damit das ganze ausländische Kapital ins Land fließen könne, damit sich die mexikanischen Unternehmer sputen und die Dinge verbessern. Aber jetzt sehen wir, dass es gar keine nationalen Unternehmen mehr gibt, alles haben die ausländischen Geschäftemacher geschluckt, und was sie verkaufen, ist schlechter als das, was in Mexiko vorher hergestellt wurde.



Gut, und jetzt wollen die mexikanischen Politiker auch noch PEMEX verkaufen, das heißt das Erdöl, das den Mexikanern gehört, und der einzige Unterschied besteht darin, dass die einen sagen, es sollte ganz verkauft werden, und die anderen sagen, dass es nur teilweise verkauft werden sollte. Und sie wollen auch die Sozialversicherung privatisieren, und die Elektrizität, und das Wasser, und die Wälder und alles, bis von Mexiko nichts mehr übrigbleibt und unser Land nur noch Wüstland ist, oder ein Vergnügungspark für die Reichen der Welt, und die Mexikaner und Mexikanerinnen sollen ihre Diener sein, davon abhängig, was ihnen angeboten wird, ein armseliges Leben, ohne Wurzeln, ohne Kultur, ohne Heimat eben.



Das heißt, das die Neoliberalisten Mexiko töten wollen, unsere mexikanische Heimat. Und die gewählten politischen Parteien tun nicht nur nichts, um sie zu verteidigen, sondern sie sind die Ersten, die sich in den Dienst der ausländischen Geschäftemacher stellen, in erster Linie derer aus den Vereinigten Staaten, und sie sind dafür zuständig, uns zu betrügen und dazu zu bringen, wegzuschauen, während sie alles verkaufen und das Geld behalten. Alle gewählten politischen Parteien, die es jetzt gibt, nicht nur einige. Denken Sie darüber nach, ob sie jemals etwas Gutes getan haben, und sie werden sich die Frage mit nein beantworten müssen, sondern dass die Sie nur berauben und reinlegen. Und sie werden sehen, dass die gewählten Politiker immer ihre guten Häuser haben, und ihre guten Autos und ihren Luxus. Und immer wollen sie, dass wir ihnen dankbar sind und sie wieder wählen. Und kommt es, dass sie, wie es so schön heißt, keine Ehre haben. Und die haben sie nicht, weil sie auch keine Patria haben, nur Bankkonten.



Und wir sehen auch, dass der Drogenhandel und das Verbrechen stark zunehmen. Und manchmal denken wir, dass die Verbrecher so sind, wie sie in den Liedern oder in Filmen dargestellt werden, und einige sind vielleicht auch so, aber nicht die großen Chefs. Die großen Chefs sind gut gekleidet, haben im Ausland studiert, sind elegant, sie verstecken sich nicht, sondern essen in guten Restaurants und erscheinen in der Presse, sehr hübsch und gut gekleidet bei ihren Festen. Das heißt, sie gehören, wie man so schön sagt, zur "guten Gesellschaft", und einige sind sogar Gouverneure, Abgeordnete, Senatoren, Staatssekretäre, reiche Unternehmer, Polizeichefs, Generäle.



Wollen wir damit sagen, dass die Politik nichts bringt? Nein, wir wollen damit sagen, dass DIESE Politik nichts bringt. Und sie bringt nichts, weil sie das Volk nicht berücksichtigt, ihm nicht zuhört, es nicht beachtet, sich ihm nur dann nähert, wenn die Wahlen anstehen, und heute wollen sie nicht einmal mehr Wählerstimmen, es reichen schon die Umfragen, um zu sagen, wer gewinnt. Und sie machen leere Versprechungen, dass sie das machen werden und jenes, und stattdessen kriegt man sie hinterher nicht mehr zu sehen, bis in den Nachrichten kommt, dass sie viel Geld gestohlen haben, aber ihnen nichts geschehen wird, weil das Gesetz, das diese gleichen Politiker gemacht haben, sie schützt.



Denn es gibt da noch ein anderes Problem, und zwar, dass die Verfassung schon völlig abgenutzt und verändert worden ist. Sie beinhaltet nicht mehr die Rechte und Freiheiten des arbeitenden Volkes, sondern nur noch die Rechte und Freiheiten der Neoliberalisten, damit sie ihre großen Profite machen können. Und die Richter sind nur noch dazu da, um diesen Neoliberalisten zu dienen, weil sie immer zu ihren Gunsten urteilen, und den Armen lassen sie nur die Ungerechtigkeiten, die Gefängnisse, die Friedhöfe.



Gut, aber trotz der ganzen Verwirrung, die die Neoliberalisten verursachen, gibt es Mexikaner und Mexikanerinnen, die sich organisieren und Widerstand leisten.



Und so haben wir herausgefunden, dass es Indigenas gibt, die fern von Chiapas leben, und die ihre Autonomie bauen und ihre Kultur verteidigen und das Land, die Wälder und das Wasser beschützen.



Und es gibt Landarbeiter, das heißt Campesinos, die sich organisieren und ihre Märsche und Mobilisierungen abhalten, um Kredite und Zuschüsse für die Landwirtschaft zu fordern.



Und es gibt Stadtarbeiter, die nicht zulassen, dass sie ihre Rechte abschaffen oder ihre Arbeit privatisieren, sondern protestieren und demonstrieren, damit sie ihnen nicht das Wenige nehmen, das sie haben, und dem Land nicht das wegnehmen, das ihm gehört, wie die Elektrizität, das Erdöl, die Sozialversicherung, die Bildung.



Und es gibt Studenten, die nicht zulassen, dass die Bildung privatisiert wird, und darum kämpfen, dass sie kostenfrei bleibt und allen freisteht und wissenschaftlich ist, das heißt, dass man nicht dafür bezahlen muss, dass sie für alle Menschen zugänglich ist, und dass in den Schulen kein Unsinn gelehrt wird.



Und es gibt Frauen, die nicht zulassen, dass man sie als Schmuckstücke behandelt oder dass man sie erniedrigt und verachtet, weil sie Frauen sind, sondern die sich organisieren und für den Respekt kämpfen, der ihnen als Frauen zusteht.



Und es gibt Jugendliche, die nicht akzeptieren, dass man sie mit Drogen verdummt oder sie wegen ihrer Lebensart verfolgt, sondern sich durch ihre Musik, ihre Kultur und ihre Rebellion bewusst machen.



Und es gibt Homosexuelle, Lesben, Transsexuelle und viele andere, die sich nicht damit abfinden, dass sie verspottet, verachtet, misshandelt und sogar getötet werden, weil sie eine andere Lebensart haben, und als Anormale oder Verbrecher behandelt zu werden, sondern ihre Organisationen bilden, um ihr Recht auf das Anderssein zu verteidigen.



Und es gibt Priester und Nonnen, und sogenannte Laien, die nicht auf die Seite der Reichen stehen und sich auch nicht damit begnügen zu beten, sondern die sich organisieren, um die Kämpfe des Volkes zu begleiten.



Und es gibt sogenannte Sozialkämpfer, Männer und Frauen, die ihr ganzes Leben für das ausgebeutete Volk gekämpft haben, und das sind die, die an den großen Streiks und Arbeiteraktionen teigenommen haben, an den großen Bürgermobilisierungen, den großen Campesinobewegungen, und die große Unterdrückung erlitten haben, und auch wenn einige bereits alt geworden sind, machen sie weiter, ohne sich zu ergeben, und laufen von hier nach da und suchen den Kampf, suchen die Organisation, suchen die Gerechtigkeit, und sie gründen linke Organisationen, Nichtregierungsorganisationen, Menschenrechtsorganisationen, Organisationen für die Verteidigung der politischen Gefangenen und für das Wiederfinden der Verschwundenen, linke Publikationen, Lehrer- und Studentenorganisationen, das heißt, des sozialen Kampfes, und sogar politisch-militärische Organisationen, und sie geben keine Ruhe, und sie wissen viel, weil sie viel gesehen und gehört und erlebt und gekämpft haben.



Und so sehen wir im Großen und Ganzen, dass es in unserem Land, das Mexiko heißt, viele Menschen gibt, die sich nicht fügen, die sich nicht ergeben, die sich nicht verkaufen. Das heißt, die würdig sind. Und das macht uns sehr zufrieden und glücklich, denn mit so vielen Menschen wird es für die Neoliberalisten nicht so einfach sein zu gewinnen, und unsere Patria kann vielleicht vor den großen Plünderungen und der Zerstörung, die sie anrichten, gerettet werden. Und wir hoffen, dass unser "wir" all diese Rebellionen einbeziehen kann.


V - WAS WIR TUN WOLLEN
VI - WIE WIR DAS TUN WOLLEN.



DEMOKRATIE! FREIHEIT! GERECHTIGKEIT!

Aus den Bergen des mexikanischen Südostens.

Das Geheime Revolutionäre Indigene Komitee - Generalkommandantur der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung, im sechsten Monat, das heißt im Juni des Jahres 2005




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