Begeistert waren wir überhaupt nicht darüber, nach der Räumung unser Foto in der
Zeitung sehen zu müssen (Tagesspiegel, 07.06.05). Mensch sah uns dort kniend vor
einer Reihe von Bullen. Aufgrund der unverschämten Äußerungen des Berliner
Polizeipräsidenten Glietsch, der u.a. meinte, wir hätten uns freiwillig dort
hingekniet (wie die taz berichtete, am 14.06.05), sehen wir uns nun gezwungen,
dazu Stellung zu beziehen.
Freiwillig geht anders!
Wir waren solidarisch mit den BewohnerInnen der Yorckstr. 59 in dem Haus
geblieben, um die Räumung des Projektes zu behindern. Als das SEK in das Haus
einbrach, war für die Bullen eindeutig erkennbar, dass niemand von uns hier
eine Auseinandersetzung mit den maskierten und schwer bewaffneten
Sondereinsatzkräften beginnen würde. Verständlicher Weise. Wir wurden
angegriffen, mit Fausthieben und Drohungen, einige von uns wurden mit ca. 1,5 m
langen Holzschlägern vor den Kopf geschlagen und verletzt. Das SEK überreichte
uns dann an die mit in den Raum getretenen PolizistInnen, die weiter mit Fäusten
auf uns einschlugen und uns Richtung Treppe schuppsten. Im Treppenaufgang wurden
wir jeweils von ein oder zwei PolizistInnen gepackt und nach unten gebracht.
Einer Frau wurde absichtlich die Brille abgenommen, um diese dann vor ihren
Augen zu zertreten. Danach wurde sie die Treppe runtergezerrt - an den Haaren
und auf dem Rücken liegend. Ein anderer der dort eingesetzten Beamten war
betrunken, er stank nach Alkohol und konnte nur noch schwer gerade laufen.
Dieser Betrunkene tat sich durch nicht kontrollierbares aggressives Agieren
hervor. Er stieß mit seinem Helm immer wieder gegen den Kopf »seines« Gefangenen
und machte gleichzeitig diesen lallend an, er sei selbst für sich und seinen
Kopf verantwortlich. Alleine zu sein mit einen offensichtlich besoffenen
Schläger, der den Schutz seiner Uniform ausnutzt, um seinen Gewalthandlungen
nachzukommen, das produzierte natürlich Angst und Panik.
In dem Hof der Yorckstr. 59 angekommen, wurden wir gezwungen, uns vor die
BeamtInnen auf den Boden zu knien. Dieses Zwingen verlief recht unsanft, einige
von uns wurden auf den Boden gedrückt, einigen waren die Hände schmerzhaft auf
den Rücken gedreht, alle wurden aufgefordert sich hinzuknien. Dann hatte die
Presse ausreichend Zeit, von uns nun Knienden Fotos zu machen. Die Äußerung des
Polizeipräsidenten, wir hätten uns freiwillig vor die PolizistInnen gekniet, ist
zynisch und zusätzlicher Hohn.
Das in die Knie zwingen war ein Symbol
Wir schreiben diese Stellungnahme aber nicht, weil wir meinen, hier wäre eine
demokratische Polizei aus Versehen zuweit gegangen, dass nun die »schwarzen
Schafe« zu identifizieren seien, damit die Legitimation des Polizeiapparates als
Ordnungsinstanz wieder hergestellt werden kann. Es geht uns nicht um eine
Skandalisierung der Bullenaktion. Für uns ist, was passiert ist, nicht sehr
unerwartet gewesen. Vielmehr offenbarten diese Vorkommnisse unserer Ansicht nach
Momente der institutionellen Funktion der repressiven Verfolgungsorgane der BRD.
Das »In-die-Knie-zwingen« vor den Kameras der Berliner Presse sollte ein Exempel
statuieren an allen mit der Yorckstr. 59 solidarischen Menschen. Es ging dabei
darum, uns öffentlich zu demütigen und ein eindeutiges Bild von "Sieger und
Besiegte" zu produzieren. Die Message der Bullen war: Wenn ihr denen helft,
demütigen wir euch öffentlich. Ihr habt keine Chance, weil wir die Gewalt haben.
In der Öffentlichkeit dienen solche Akte der Stigmatisierung und Diskreditierung
von Widerstand, in diesem Fall von Widerstand gegen die sich in all ihrer
Schärfe zeigende neoliberale Umstrukturierung der Stadt und der damit
verbundenen Vertreibungen von ärmeren MieterInnen und politischen Projekten aus
Innenstadtbezirken. Gleichzeitig legitimiert eine solche Behandlung die
eingesetzte Gewalt - denn das »Sich-hin-knien-müssen« ist ein Zeichen der
vermeindlichen Gefährlichkeit der dort Gefangenen. Es ist die Pose einer
gewaltsamen Unterwerfung - öffentlich inszeniert und in erster Linie auf ihre
mediale Wirksamkeit ausgerichtet.
Das Vorgehen der Polizei hatte System
Dabei haben die PolizistInnen natürlich nicht spontan und »autonom« reagiert,
als sie uns in die Knie zwangen. Es war die Durchführung eines antrainierten
Schemas im Umgang mit Gefangenen, die brutalen Übergriffe während der Räumung
waren geübte gewaltförmige Einschüchterungstaktiken, keine Exesse der Gewalt von
einzelnen Psychopathen. Hier zeigte sich die zentrale Funktion der Polizei als
militärisch disziplinierter Apparat, der effektiv innerstaatliche Repression
organisiert. Das dient der gewaltsamen Sicherung von privaten Kapitalinteressen
und der Durchsetzung kapitalistischer Eigentumsverhältnisse.
Wenn wir uns das vor Augen halten, bekommt die öffentliche Demütigung von uns
als exemplarische BewohnerInnen der Yorckstr. 59 vor laufender Kamera eine neue
Komponente. Sie lenkt ab von der eigentlich offensichtlichen Funktion der
Polizei: Hier im konkreten Fall Schlägertrupp zu sein für die Privatinteressen
eines Herrn Walter und Herrn Marweld.
-Einige der Leute im Hof der Yorck59-
Berlin, Juni 2005