Die Story
Christian und Leila wird vorgeworfen sich am 13.02.2005 in Dresden an antifaschistischen Aktionen gegen den dort stattfindenden Naziaufmarsch beteiligt zu haben. Zwei Berliner LKA Beamte, die dort verdeckt ermittelten, wollen die beiden bei einem Flaschenwurf in Richtung Polizeikräfte beobachtet haben. Weiterhin sollen sie sich gegen die Festnahme gewehrt haben. Leila hatte eine Tasche mit etwas übertriebener Antifa-Selbstschutz-Grundausstattung (Pfeffer, Teleskopschlagstock, Pyro) dabei, die allerdings nie zum Einsatz kam. Weitere Beweise als die Aussagen der Cops gibt es nicht. Das allerdings reichte aus um Christian die letzten neun Monate in Untersuchungshaft zu halten und ihn permanent zu schikanieren.
Prozessverlauf
Ein Geheimprozess war geplant. Mit codierten Zeugen ohne Identität und einem Höchstmaß an Glaubwürdigkeit sollten Christian und Leila an einem Tag zu mindestens zwei Jahren Haft verurteilt werden. Die Zeugen des Berliner LKA 56 warteten den ganzen Tag im Hinterzimmer vergeblich auf ihre Möglichkeit die beiden zu belasten.
Stattdessen beschäftige sich das Gericht und vor allem das VerteidigerInnentrio mit der Frage, ob eine Verschleierung der ZeugInnen in einem Prozess wegen Landfriedensbruch zulässig sei. Seit Monaten wurde beantragt die Identität der Cops zur Überprüfung der Glaubwürdigkeit preiszugeben, einen Tag vor dem Prozess antwortete der Innensenat mit einer Sperrerklärung, die diese Praxis des LKA rechtlich legitimierte. Anträge diese Sperrung oberinstanzlich zu prüfen wurden vom Gericht mit der Begründung abgelehnt, dass es sich bei Christian um Haftsachen handele, die ein beschleunigtes Verfahren verlangen. Nach neun Monaten U-Haft, die vom Gericht und der Staatsanwaltschaft verschuldet sind, ist das ein mageres Argument. Die Ablehnung ist wohl eher der Vermutung der Richterin geschuldet, dass ein Verwaltungsgericht die Praxis, ZeugInnen vom LKA prinzipiell ohne Identität bei Prozessen auftreten zu lassen als rechtlich höchst problematisch einordnen und dem Antrag der Verteidigung Recht geben würde. Die LKA Bullen dürfen in dem Prozess also erst einmal verdeckt auftreten, bis eine Einstweilige Verfügung vor dem Verwaltungsgericht entschieden wurde. Schon an diesem Vorgeplänkel kann mensch ganz gut den Verurteilungswillen der Richterin mit dem irreführenden Namen Dr. Linke.
Dann erst einmal die Verlesung der Anklage und die obligatorische Stellungnahme der Angeklagten nichts dazu zu sagen. Die Trennungsverfügung gegen die Verlobten Christian und Leila wurde nach neun Monaten nun im Gerichtssaal aufgehoben.
Nach etlichen Anträgen, Beschwerden, Unterredungen und ständigen Unterbrechungen kam die Beweisaufnahme, beginnend mit Videofilmen zur allgemeinen Belustigung. Auf diesen z.T. endlosen Ausschnitten aus dem Demonstrationsgeschehen in Dresden rund um die Brühlsche Terrasse waren etwa vier Sekunden lang die Angeklagten zu sehen. Keine Straftat ist von ihnen ausgegangen, sie standen ruhig in einer Menge von etwa 1500 Menschen. Aber darum ging es dem Gericht auch nicht - die Frage ob es sich bei den DemonstrantInnen um eine gewalttätige Menge, und damit die Möglichkeit eine geworfene Flasche als Landfriedensbruch zu verhandeln, sollte bewiesen werden. Das gelang aufgrund der Videos der EG Video vom Berliner LKA nicht. Dann gabs erst mal Mittag für alle.
Nach der Pause wurde Fredo - nicht Beutlin - Kreft, ein BFE-Polizei-Staffelführer aus Schwerin (Mecklenburg Vorpommern) verhört, der als einziger Zeuge mit seinem richtigen Namen auftrat. Er war am 13.02. auch in Dresden um andere Polizisten mit seiner Staffel zu unterstützen. Eine richtige Einsatzleitung gabs an dem Tag eigentlich nicht, nur Abschnittsführer, welche die Situation vor Ort nicht wirklich im Blick hatten. So bleib vieles den Einheiten selbst überlassen und jeder Beamte konnte sich selbst einweisen und seine z.T. selbst Strategie bestimmen. Interessant wie solche Großeinsätze funktionieren..
Er fand zwei große Gruppen mit 500 und 1500 DemonstrantInnen vor, die er als "Störer" identifizierte. Gestört haben sie ihn eigentlich nicht, das sei eher Polizeijargon ohne eine gewisse Begründung. Der Begriff fällt schnell wenn dunkel gekleidete Personen irgendwo rumstehen und sich verbal zusammen äußern.
In seinem Bericht, den er für das Berliner LKA anhand eines Fragebogens anfertigte, steht was von Schlägen und Tritten gegen die Bullen und von Flaschen, Steinen und Knallkörpern. Dieser Bericht war auch ausschlaggebend für die Anklage wegen Landfriedensbruch und auch für den Haftbefehl gegen Christian. In seiner Aussage vor Gericht wurde dann daraus: "Beamte wurden von den Leuten auch mal angefasst, meistens im Brustbereich. Tritte hab ich nicht sehen können. Das ist ja unterhalb der Sichtlinie." Berichte oder Anzeigen von Bullen über Gewalt von DemonstrantInnen aus gibt es nicht. Ein ausgebrannter Bullenhelm war für ihn ein gewalttätiger Akt, da kein Bulle in so einer Situation freiwillig den Helm abnimmt. Flaschen hat er zumindest eine gehört, die seinen Kollegen Rathmann getroffen hat, weil der neben dem Kamera-Cop Schulz stand. Der Täter, der die Flasche geworfen hat wurde aber von irgendwem ermittelt. Von wem kann er nicht sagen (breites Grinsen seinerseits). Steine hat er keine gesehen, aber er vermutet mal, dass welche geflogen sind, weil das eben meistens der Fall bei solchen Einsätzen ist. Ein Video, was der Staatsanwalt Fenner daraufhin vorzeigte, sollte beweisen, dass da mehr als eine Flasche und ein Knallkörper geflogen sind. Zu sehen waren dann aber massig Papierflieger (großes Gelächter auch bei der Richterin und den beiden Schöffen), keine Steine oder sonst was kriminalisierbares. Insgesamt wird es also schwer hier den Vorwurf eines Landfriedensbruch aufrechtzuerhalten, da es keine gewalttätige Menge war, in der sich Christian und Leila befanden. Um welche Flasche es nun geht, die von Christian geworfen sein soll ist immer noch unklar. Die, welche den Bullen Rathmann aus Schwerin getroffen hat, kam jedenfalls aus einer ganz anderen Richtung als Christian gestanden haben soll.
Die Videos, die öfters mal gezeigt wurden, wiesen eine entscheidende Unzulänglichkeit auf. Die Aufnahmen endeten alle kurz vor dem angeblichen Tatzeitpunkt. Das Video aus der Schweriner Einheit (der von Schulz gedreht wurde), erscheint allerdings als Videoprint in der Ermittlungsakte mit einer Uhrzeit, die den Tatzeitpunkt mit einschließt. Wo ist also das vollständige Video geblieben? Der Staffelführer Kreft weiß darauf keine vernünftige Antwort, schließlich hat er alles zum Berliner LKA geschickt. So ein klares Verfälschen von Beweismitteln ist selbst für die selbstherrlichen Berliner LKAler etwas zu plump und so wurde Kreft nach dem Prozess von den draußen wartenden PMS-Zivis "unter Kollegen" in die Mangel genommen. Das stinkt gewaltig nach Beeinflussung von Zeugen. Die LKAlerin, die im Gerichtssaal fleißig mitgeschrieben hat, wird ihr übriges dazu beitragen, dass die "verdeckt ermittelnden" ZeugInnen am nächsten Prozesstag sich ordentlich auf ihre Aussage vorbereiten können. Kreft beantragt für den Tag die Parkgebühren erstattet zu kriegen.. Das sei ihm gegönnt, war er doch eher ein Zeuge für die Verteidigung Christians.
Zum Schluss gabs noch einen kleinen Einblick in Waffenkunde, den eine Schöffin sichtlich schläfrig machte. Wachtmeister Müller vom LKA PTU 534 untersuchte die bei den Beschuldigten gefundenen waffenartigen Gegenstände auf ihre tatsächliche Gefährlichkeit, ihren Zweck und die juristische Relevanz, um dem Staatsanwalt etwas zur Hand zu gehen. Der kannte sich nämlich kein Stück weit mit dem neuen Waffengesetz aus. Selbst die Richterin, die das ganze vorlesen musste war sichtlich gelangweilt und beendete den Prozesstag danach.
Die Hauptverhandlung gegen Christian und Leila ist unterbrochen. Nächster Verhandlungstag findet am 2.12.2005 um 9.15 Uhr am Amtsgericht Berlin Raum 371 statt. An diesem Tag werden auch die codierten LKA ZeugInnen aussagen und sich wahrscheinlich mit unnatürlich viel Gesichtsbehaarung der Identitätsfeststellung durch die Öffentlichkeit entziehen.
Homepage:
www.freechristian.de.vu
Quelle:
de.indymedia.org