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ARCHIV AACHEN 4
22ster Prozesstag in Aachen - Mittwoch, 21.9.2005


22. Tag, 21. September 2005


Auf Grund des zahlreichen Erscheinens von etwa 30 UnterstützerInnen nebst ca.10 "unbeteiligt" Interessierten und der üblichen hohen Zahl an Beamten diverser Resorts in Zivil, musste der Prozessbeginn um etwa eine halbe Stunde verlegt werden. Die üblichen schikanösen Vorkontrollen schienen gründlicher, auch wurden wieder die Ausweise der ZuschauerInnen kopiert. Dies teilweise in fünffacher Ausführung.

  • Plädoyer der Verteidigung
  • zu den Anklagepunkten
  • 3te Erklärung von Gabriel
  • Urteilsverkündung 28.9.



  • Da sich die Plädoyers der Verteidigung (Pöll/Rubarth für Gabriel, Israel/Wunsch für Jose, Lindemann/Franke für Bart und Gesa Schulz für Begonia) teilweise aufeinander bezogen bzw. dieselben Punkte der Anklage aufs massivste kritisierten, hier eine Zusammenfassung der einzelnen Plädoyers.

    Der erste Punkt aller gehaltenen Plädoyers bezog sich auf das gehaltene des Staatsanwaltes Geimer, sowie auf dessen Vorwurf der Prozessverschleppung. RA Poell zeigte an Beispielen vergangener Prozesse auf, dass Geimer entgegen seiner Aussage sehr wohl ähnliche Prozessabläufe erlebt und auch inszeniert hatte. Auch war er es der Bart, Jose und Gabriel ein politisches Motiv der Geschehnisse von Aachen unterstellte, obwohl diese mehrfach erklärten, dass dies keine politische Aktion war. In diesem Zuge ließ er nicht nur mehrfach Post beschlagnahmen, um mehr über die politischen Hintergründe der Beschuldigten zu erfahren, selbst Anwaltsbesuche bei Jose mussten zeitweise mit Trennscheibe stattfinden. RA Lindemann warf Geimer vor, ein "Mini-Stammheim" und einen schlechten Abklatsch der Prozesse gegen bewaffnete Gruppen der 70er Jahre zu inszenieren. Von daher ging laut RA Rubarth das Plädoyer der Staatsanwaltschaft komplett an der Sache vorbei und war von reiner Stimmungsmache geprägt. Ebenfalls wurde seitens der Verteidigung einstimmig bemängelt, dass sich Staatsanwaltschaft und Kammer trotz Zusage nahezu überhaupt nicht mit der Vergangenheit Joses und Gabriels beschäftigten. Die Gutachten zweier "ExpertInnen", die auch nach eigenen Aussagen nichts zum Thema Folter und Isolationshaft sagen konnten und daher von den zwei Betroffenen auch folgerichtig abgelehnt wurden, fallen für die Verteidigung daher auch nicht ins Gewicht. Mehrfachen Zusagen der Betroffenen mit in dieser Sache kompetenten Sachverständigen zusammenzuarbeiten wurde kein Gehör geschenkt. Auch verwies die Staatsanwaltschaft öfters auf diverse Verurteilungen in Spanien, ohne diese aber näher zu erörtern. Ohne diese Erörterungen sollten dann aber laut der Verteidigung die Geschehnisse als "Ersttäterschaft" in Deutschland ausgelegt werden, was strafmildernd wirkt. Zum Thema "Unverständnis" in der Bevölkerung erzählte RA Poell noch, dass er nach Darlegung seiner Aufgabe in Aachen mehrfach umsonst oder vergünstigt Taxen nutzen konnte. RA Israel wirft in seinem Plädoyer der Staatsanwaltschaft und der Kammer offen Verlogenheit vor, RA Lindemann spricht von Klassenjustiz. Von allen VerteidigerInnen wird auch die Vorführung von Jose und Gabriel in Fußfesseln scharf als unwürdig und menschenverachtend angegriffen. Von daher sei auch das Verhalten bzw. Erscheinen Gabriel`s lediglich in Unterhose als respektablen Protest und nicht als Respektlosigkeit zu werten. RA Franke äußert hier offen seine Sorge das die Kammer sich in ihrem Urteil mehr von gekränktem Stolz und der politischen Nähe der Beschuldigten zueinander, als von den Fakten leiten lassen würde. Und diese beziehe sie schließlich zum größten Teil aus den Einlassungen von Bart, Jose und Gabriel. RA Lindemann greift in diesem Zusammenhang auch nochmals die Zeugenaussagen auf, die sich mehrfach als widersprüchlich erwiesen und teilweise durch bestehende Videoaufnahmen widerlegt wurden. Er unterstellte den Zeugen hierbei aber keine bewusste Falschaussage, sondern betonte das besagte Zeugen die Situation für sich wohl wirklich so erlebt haben. Einhellig wird von allen VerteidigerInnen die Strafmaßforderungen der Staatsanwaltschaft als absurd und grotesk bezeichnet. Rain Wunsch spricht hier von einem "Versagen des Rechtstaates". In dieselbe Richtung geht die Frage von RA Lindemann an Geimer, ob er unter StPo Strafprozessordnung, oder Schauprozessordnung verstehen würde.

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  • Zu den einzelnen Anklagepunkten: - Der Vorwurf des versuchten Mordes und der Verabredung zu Straftaten sei nicht zu halten, da offensichtlich keine Verabredung zu irgendwas stattfand und eine gefundene Stadtkarte nichts ungewöhnliches wäre. Dies beweise auch das Video der Tankstelle sowie die Aussagen diverser ZeugInnen. Desweiteren wurde von Gabriel nur in die Luft, sowie auf die Reifen und den Kühler eines verfolgenden Polizeiwagens gefeuert. Und dies in Schrittgeschwindigkeit. Unverständlich vor allem die Tatsache, dass dieser Anklagepunkt zu Prozessbeginn fallen gelassen wurde und jetzt ohne neue Beweise/Erkenntnisse wieder hervorgezerrt wurde.
    - Der Vorwurf des Kfz-Raubes sei in unbefugte Nutzung umzuwandeln, hierbei wird sich auf ein BGH Urteil berufen. Dies besagt, dass zu einem Vorwurf des Raubes gehöre, dass die Absicht bestehen müsste, dass das Fahrzeug langfristig oder endgültig den Besitzer "wechsle". Besagtes Fahrzeug in Aachen wurde aber einige hundert Meter weiter auf offener Straße abgestellt.
    - Einziger zu haltender Vorwurf ist die etwa 20 minütige Geiselnahme. Strafmildernd solle hier nach §20/21 die verminderte Schuldfähigkeit von Gabriel und Jose berücksichtigt werden. Dies auf Grund ihrer traumatischen Erlebnisse in spanischen Knästen und der Aussicht nach der Aachener Verkehrskontrolle genau dort wieder zu landen. Weiter strafmildernd solle die "Ersttäterschaft" aller in Deutschland gewertet werden, sowie die Tatsache das mehrfach versucht wurde die Geiseln zu beruhigen zu versichern, ihnen nichts anzutun. Da Bart bei all diesen Geschehnissen keine aktive Rolle zufiel und diese auch ohne seine Beteiligung so abgelaufen wären, wird hier auf Freispruch plaediert. Weiter strafmildernd sollten auch die unverhältnismäßig verschärften Haftbedingungen besonders in Joses Fall berücksichtigt werden.
    - Der Bankraub in Karlsruhe, den Jose angeblich begangen haben soll, sei ebenfalls nicht nachzuweisen. Zeugen haben ihn nicht identifizieren können, und das Gutachten des Ohrenabgleichs der Videokamera besitzt allenfalls eine gewisse Wahrscheinlichkeit.
    - Vom Vorwurf der Hehlerei sei Begonia ebenfalls freizusprechen, da Geimer nicht verlangen könne, dass Begonia sich nach der Herkunft Joses Geldes zu erkundigen habe. Die Vorwürfe des Widerstandes bei der Festnahme beruhen auf polizeilichen Aussagen und werden von Begonia bestritten und sind auch auf den Videoaufnahmen an der Markanttankstelle nicht zu beobachten. Ihr Verhalten während der erkennungsdienstlichen Maßnahmen seien lediglich ein Resultat ihrer Festnahme bei der sie in den Kofferraum verfrachtet wurde und der ihr dann, völlig haltlos, gemachten Tatvorwürfe versuchter Mord etc. Diesbezüglich sei es absolut unverständlich, dass sie am ganzen Verlauf des Prozesses partizipieren musste.

    Da die VerteidigerInnen von Gabriel und Jose nicht auf ein bestimmtes Strafmaß plädieren wollten, forderten sie unter Berücksichtigung der obigen Aspekte eine milde Strafe. Für Begonia wurde die Aufhebung des Haftbefehls, Haftentschädigung für die U-Haft sowie Freispruch in allen Anklagepunkten beantragt. Fuer Bart ebenfalls einen Freispruch in allen Punkten.

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  • Nach Beendigung der Plädoyers und einer halbstündigen Pause hielt Gabriel seine 3te, etwa 20minütige Erklärung. Diese wird in kürze auf www.escapeintorebellion.info nachzulesen sein. Während der Verlesung drohte nach aufbrausendem Applaus, Richter Nohl erneut mit der Räumung des Saales. Nach Ende der Ausführungen beendete Nohl die Verhandlung aber in solch einem Tempo, dass er, anders als vor zwei Wochen, nicht mehr in die Verlegenheit kam seinen Drohungen auch Taten folgen zu lassen.

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  • Die Verkündung des Urteils wird am 28.September um 9:00 Uhr im Saal 339 des Landgerichtes Aachen stattfinden. Um zahlreiches Erscheinen wird gebeten!


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    quelle:
  • escapeintorebellion.info

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